Mit dem Esel durch die Nacht
Kleine, lebhafte Hufe tappen neben mir her.
Wir, Mensch und Tier, schleichen nahezu lautlos durch die Dämmerung in die Nacht hinein. Hätte ich nicht gedacht, dass Esel so leise sein können. Dann bin ich es auch, genieße die Geräusche der Natur und hänge meinen Gedanken nach.
Die Vögel singen ein mehrstimmiges Abendkonzert, in der Ferne bellt ein Hund. Ansonsten höre ich nur ab und zu ein zufriedenes Schnauben an meiner Seite. Frisches Grün und Fichtenzweige werden im Vorbeigehen oder auch ausgiebig und intensiv genascht und genossen. Die langen Ohren meines Grautiers hängen gelangweilt auf Halbmast oder werden blitzartig aufmerksam gespitzt, sobald irgendetwas Ungewöhnliches passiert. Ungewöhnlich kann schon ein Gullideckel in der Straße sein, der großräumig umgangen werden muss, eine auffliegende Stockente oder auch ein abgestellter Eimer am Wegesrand. Nachdem mein Esel sich aus Angst konsequent weigert eine Brücke zu überqueren, drehen wir wieder um und nehmen einen anderen Weg.
Viel Geduld ist gefragt, nicht unbedingt meine herausragende Stärke, aber ich arbeite daran. Einen Esel zu ziehen oder zu schieben, wenn er der Meinung ist stehenbleiben zu wollen, bringt nichts. Das lerne ich schnell und lasse mich auf seine eselige Geschwindigkeit und Lebenseinstellung ein. Wir haben Zeit.
Warum ich mit einem Esel in der Nacht spazieren gehe?
Ganz einfach: Ich habe davon gelesen, war begeistert und habe sofort Nägel mit Köpfen gemacht, sprich gebucht. Wenn ich etwas auf die lange Bank schiebe, wird meistens nichts daraus und mein innerer Schweinehund hat wieder einmal die Nase vorn. Da ich mittlerweile meinen „Hund“ ganz gut kenne, hilft es ungemein, umgehend aktiv zu werden, sobald ich eine Idee habe, wie ich meine Komfortzone verlassen kann. An diesem Abend bleibt der Fernsehsessel leer und ich stürze mich ins Abenteuer. Naja, Abenteuer ist reichlich übertrieben, aber es ist auf jeden Fall ein wunderschönes Erlebnis, das ich wohl nicht so schnell vergessen werde.